Wo schaust du hin?

Der Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry hat einmal formuliert „Liebe besteht nicht darin, dass man einander ansieht sondern, dass man gemeinsam in die gleiche Richtung blickt“.

Wenn man in die gleiche Richtung blickt, sind die Werte- und Zielvorstellungen ähnlich, der Wie-und-was-will-ich-leben-Kontext stimmt. Eine wirklich wichtige Basis für eine Liebe, eine Art Stabilitätspakt. Würde man sich nur ansehen, würde man wohl keinen Schritt weiterkommen im Leben. Man sähe nicht die Vielfalt des Lebens, könnte keine gemeinsamen Wege gehen, weil man beim Versuch des Vorwärtskommens nur zusammenstoßen würde. Man könnte sich selbst nicht weiterentwickeln oder zur Weiterentwicklung des anderen beitragen, weil man den Blick nicht voneinander löst. Denn auch die Weiterentwicklung des Individuums ist ein wichtiger Baustein für die Liebe. Liebe ist lebendig, sie möchte genährt werden sonst würde sie in der immer selben Routine in Langeweile erstarren. Deswegen ist Stillstand und das Zurückziehen auf das, was man jetzt hat der Liebe auf Dauer nicht zuträglich, sie wird gehen und sich einen anderen Weg suchen.

Und doch stimme ich dem Satz nicht zu. Denn um die Liebe erstmalig und immer wieder zu entdecken muss man sich ansehen, muss man sich gerne ansehen wollen. Liebe kann nicht entstehen, wenn man nur in die gleiche Richtung blickt. Daraus kann bestenfalls eine Funktionsliebe entstehen, eine gute Zweckgemeinschaft – man braucht sich, deswegen „liebt“ man sich.

Die echte Liebe möchte einander ansehen. Nicht nur äußerlich sondern auch von Innen alles sehen. Sie möchte sich mit ihrem Gegenüber beschäftigen, genau hinhören und alle Sinne für ihn öffnen. Nur dann kann die Liebe wissen, ob sie hier richtig ist. Die Weiterentwicklung des Individuums ist in der Liebe auch eine Weiterentwicklung des Paares. Um die Liebe zu entfalten und zu festigen ist es wichtig, bei dieser Entwicklung einander auch anzusehen. Dieses Paar möchte einander, braucht einander, weil es sich liebt. Sieht das Paar sich nicht (mehr) an, laufen die Individuen auseinander, weil sie versäumt haben, den anderen (noch) zu sehen, ihn mitzunehmen, mit ihm zu wachsen. Wie beim Stillstand wird auch hier die Liebe gehen und sich einen anderen Weg suchen.

Ganz sicher gehören noch mehr Zutaten in die große Liebessuppe. Einige davon sind auf diesen Seiten schon beschrieben, für andere finden wir sicherlich noch Worte. Vielleicht werden wir bei manchen Zutaten ganz sicher sein und bei anderen weniger.

Aber bei dem einen bin ich mir ganz sicher: Für mich ist es keine Option, meine Liebe nicht anzusehen – ist sie doch der schönste Anblick überhaupt.