Auszeit

Wenn wir sagen, wir nehmen eine Auszeit, weiß jeder, was damit gemeint ist. Eine Pause von unserem Leben, in der wir durchatmen, die Welt entdecken, Begegnungen haben, uns besinnen, zu uns finden, uns mit uns selbst beschäftigen, gesund ernähren, Sport treiben, die Natur genießen, nichts tun, etwas Neues ausprobieren, uns etwas gönnen, Freunde treffen…

Die Frage ist, was haben wir vorher gemacht? Vieles, wahrscheinlich zu viel, aber wohl nicht das Richtige. Wir haben ganz sicher nicht gelebt. Wir rollen als kleine Roboter mit einem Wackelkontakt durch den Tag und erledigen mehr oder weniger alles, was vermeintlich von uns erwartet wird.

Was ist falsch an unserem gelebten Sein, was ist falsch an unserem Blick darauf, dass diese begrenzte Pause vom Alltag unseres Lebens oder der Gedanke, ganz auszusteigen ein erstrebenswertes Ziel ist? Und aus was aussteigen? Sollte nicht dieses eine Leben, das wir haben, eine Aneinanderreihung solcher „Auszeit“-Momente sein?

Es ist eine Zivilisationskrankheit, die vor allem durch soziale Kontakte ausgebreitet wird. Es scheint sehr ansteckend zu sein. Eltern infizieren ihre Kinder, diese ihre späteren Partner sowie die nächste Generation an Kindern. Freunde und Nachbarn sind auch gefährdet. Menschen, denen viele Menschen zuhören sind besonders ansteckend, auch ohne persönlichen Kontakt. Es scheint unaufhaltsam zu sein. Doch es gibt auch Menschen, die grundimmun sind und Genesene mit guten Selbstheilungskräften. Eine Herdenimmunität ist jedoch nicht in Aussicht. Denn man muss raus aus der passiven Anstrengung des fremdbestimmten Lebens und rein in die aktive Gestaltung des eigenen Lebens. Man muss sich kennenlernen, sich spüren und etwas dafür tun. Das ist nicht unbedingt bequem. Häufig ist den infizierten Menschen das Risiko zu hoch. Sie sind schon so geschwächt, dass sie damit rechnen, dass der Tod auf sie wartet, wenn sie aus ihrem Hamsterrad aussteigen. Die Wahrheit ist, dass das der erste Tag ihres Lebens wäre. Und wäre es der letzte, wäre es immer noch ein Tag Leben mehr als vorher.